Wir geraten in eine Stromschnelle der Geschichte – Warum das BGE kommen wird…

In einem lesenswerten Interview vertritt Philipp Blom die Ansicht, dass wir in einer Zeit notwendiger Veränderungen leben.

Die Kleine Eiszeit zeigt: Wenn Transformation unvermeidlich ist, muss sie aggressiv angegangen und gestaltet werden.

Hier einige Auszüge aus diesem Artikel der Wiener Zeitung vom 17.03.2017. Der gesamte Artikel ist nachzulesen unter

http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/welt/weltpolitik/879961_Wir-geraten-in-eine-Stromschnelle-der-Geschichte.html

Philipp Blom

„Wir geraten in eine Stromschnelle der Geschichte“

„Wiener Zeitung“: Ihr neues Buch „Die Welt aus den Angeln“ handelt davon, wie die Kleine Eiszeit im 16. und 17. Jahrhundert die Gesellschaftsstruktur in Europa auf den Kopf stellte. Leben wir auch heute in revolutionären Zeiten?

Wir leben in Gesellschaften, die auf Wirtschaftswachstum ausgerichtet sind. Aber es wird immer schwerer zu generieren. …

Da kommt ein historischer Zusammenbruch der Linken hinzu – eine Konsequenz der Deindustrialisierung.

Die Arbeitslosigkeit steigt. Mit Migration hat das aber nichts zu tun, sondern vorrangig damit, dass Maschinen diese Arbeit machen und das in Zukunft noch häufiger tun werden. Wenn Politiker über Vollbeschäftigung reden – das ist Politik aus dem 20. Jahrhundert!

Etwas sehr Wichtiges kommt hinzu: Wir haben beschlossen, dass die Zukunft nichts Gutes bringt: der Niedergang unserer Sozialsysteme, Klimawandel, Umweltverschmutzung, Migration. Deswegen wollen wir lieber gar keine Zukunft und nur zusehen, dass die Gegenwart nicht aufhört. Eine Statusverwaltung. Doch eine Gesellschaft ohne Zukunft, ohne Hoffnung, ohne gemeinsames Projekt, kann nicht bestehen.

Was ist das wirklich Gefährliche an der gegenwärtigen Entwicklung?

Das Schlüsselwort ist Normalisierung.

Als Donald Trump sagte, die Medien seien der Feind des amerikanischen Volkes, sagte McCain: Genauso fangen Diktaturen an.

Wenn so etwas normal wird, wenn man immer einen Schritt weiter geht, darf man sich nicht wundern, dass – nachdem Trump sagt, was er sagt – ein jüdischer Friedhof verwüstet und Moscheen angegriffen werden. Das ist die Mob-Reaktion auf diese Rhetorik.

In der Nachkriegszeit war Konsum wirklich transformativ. Das erste Auto, die erste Waschmaschine, das erste Paar Jeans, das war etwas Besonderes.

Dieses Konsumversprechen ist also zerbrochen, dieses Moment des gemeinsamen Projektes, das die Nachkriegsdemokratien hatten, funktioniert nicht mehr. Wir sind zurückgeblieben in dieser Idee von Menschen, die nicht mehr Bürger sind, sondern Konsumenten.

Ein Verbraucher hat genau eine Pflicht: Genug Geld zu haben, – und dann hat man nur noch Rechte, ein Anrecht auf alles. Unsere komisch zukunftslosen Gesellschaften sind an einem Punkt, wo wir in eine Stromschnelle der Geschichte geraten, wo Klimawandel und Digitalisierung bedeuten, dass unsere Gesellschaften sich rasant ändern werden.

Die Kleine Eiszeit zeigt: Wenn Transformation unvermeidlich ist, muss sie aggressiv angegangen und gestaltet werden.

Der Unterschied zu heute ist, dass wir in Demokratien leben. Es muss den demokratischen Willen geben, diese Transformationen tatsächlich vorzunehmen. Das sehe ich im Moment nicht. Das ist die eigentliche Gefahr.

Die Rechtspopulisten wollen zurück in eine erfundene Vergangenheit. Das ist nicht nur das Zurück zum Nationalstaat.

Der Idee des Marktes steht die Idee der Festung gegenüber.

Sie glaubt auch an eine „natürliche Sexualität“. „Natürlich“ ist, wenn Frau und Mann verheiratet sind und zwei Kinder haben, der Mann das Geld verdient und die Frau eine gute Mutter ist. Diese Art zu denken weiß auch relativ gut, dass Männer sowieso wertvoller sind als Frauen.

Wir haben keine Lust auf Veränderung. Aber sie kommt, und zwar mit historischer Geschwindigkeit und in globalem Ausmaß, innerhalb der nächsten zehn oder 20 Jahre. Je länger wir den Luxus pflegen, zu überlegen, dass wir zurückmüssen, desto mehr Zeit verlieren wir dafür, etwas zu gestalten, das ohnehin passiert.

Aus dieser Spannung heraus wenden sich viele Menschen dem Populismus zu. Sie begreifen, dass das, was wir haben, nicht mehr funktioniert, laufen dann aber der falschen Lösung zu. Das hat auch mit Bildung zu tun. Die Bildung vieler Menschen ist erschreckend gering.

Wir können nur die Kurve kratzen, wenn wir es als Gesellschaft schaffen, ein gemeinsames Projekt zu formulieren. Das ist eine echte Herausforderung und ich glaube, dass die Ideen der Aufklärung zu abstrakt sind, um Menschen in ihrem Inneren zu überzeugen.

So etwas wie ein bedingungsloses Grundeinkommen ist nicht nur eine Möglichkeit. Es wird notwendig sein.

Ich sehe keine andere Lösung. Wenn wir in Gesellschaften leben, was wir wahrscheinlich in 20, 30 Jahren tun werden, in denen ein Drittel oder die Hälfte der Menschen keine Erwerbsarbeit mehr findet, weil die Arbeit von Maschinen gemacht wird.

Wir sind dann in einer Situation, wo die Produktivität der Gesellschaft erhalten geblieben ist, das Geld wird ja immer noch erwirtschaftet, die Arbeit wird immer noch gemacht, aber nicht mehr von Menschen. Dann muss man sich fragen: Wofür ist diese Wirtschaft überhaupt da?

Wenn sie für uns da ist, dann müssen wir auch die Arbeit von Maschinen besteuern und diesen Wohlstand umverteilen.

In einigen Ländern gibt es bereits Pilotversuche mit dem bedingungslosen Grundeinkommen.

Es gibt keine vernünftige Alternative. Wir werden sicherlich erleben, dass das in unterschiedlichen Ländern unterschiedlich schnell und unterschiedlich intelligent umgesetzt wird. Vielleicht kann man damit den Menschen die Lust am Politischen zurückgeben.

Für Leute wie mich ist diese Zeit ideal. Ich habe nicht gehört, dass im letzten Jahr auf große soziale Fragen jemand geantwortet hat: Ah, da müssen wir einen Ökonomen fragen, lassen wir mal den Markt entscheiden! Wenn der Markt entscheidet, ist das meistens nicht in unserem Interesse. Es ist eine Zeit, wo Ideen und Diskussionen wieder wichtig werden.

Ist eine dermaßen an einzelnen Personen aufgehängte Politik nicht auch bedenklich?

Das zeigt vor allem, wie wenig Politik noch mit Überzeugungen zu tun hat. Da kommt jemand und der ist irgendwie cooler als der andere und dann gehen die Umfragewerte gleich zehn Prozentpunkte hoch.

Aber es ist schon erstaunlich, dass das so persönlichkeitsgebunden ist. Es gibt eine gewisse Konsumentenhaltung auch zur Politik: Wenn mir das Produkt nicht gefällt, dann kaufe ich es eben nicht, dann gehe ich nicht wählen.

Wie ließe sich ein großes politisches Projekt mit der Kraft zur Bündelung umschreiben?

Das ist eine Gesellschaft, die aus beinhartem Eigeninteresse solidarisch sein muss und lernt, sich umzustellen: auf eine Maschinenökonomie, auf ein unbedingtes Grundeinkommen, auf andere demokratische Prozesse – das liegt direkt vor uns.

Das wird mit einem gewissen Verzicht einhergehen müssen.

Ja. Dieses dringend benötigte Projekt direkt vor der Nase würde erfordern, dass wir bereit sind, etwas dafür aufzugeben. Doch das haben wir Menschen konsequent ausgeredet.

Das wirklich Kritische ist: Jetzt sind wir noch wohlhabend, haben noch Einfluss, jetzt könnten wir diese Transformation noch gestalten. Die Fundamente dieses Wohlstands und dieser Handlungsfreiheit, die bröckeln jeden Tag etwas weiter ab.

Wenn der Großteil der Menschen begreift, dass unbedingt etwas getan werden muss, weil auch bei uns das Leben viel schwieriger geworden ist, könnte es zu spät sein, denn Panik ist immer ein schlechter Ratgeber.

Schaffen wir es zu begreifen, dass wir jetzt radikal etwas tun müssen, bevor wir gar nichts mehr tun können? Ich weiß es nicht.

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